JUVE Steuermarkt: Friedrich Merz hat einige Vorschläge zu einer großen Unternehmensteuerreform getätigt – gerade hinsichtlich Personengesellschaften, zu denen auch die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft gehört, die sehr viele Steuerberatungsgesellschaften haben. Ist das schon Beschlusslage?
Fritz Güntzler: Die CDU Deutschlands ist momentan im Prozess, ein neues Grundsatzprogramm zu formulieren. Da gibt es verschiedene Fachkommissionen. Die Fachkommission „Wohlstand“, der ich auch angehöre, unter der Leitung von Jens Spahn, befasst sich mit steuerlichen Fragestellungen. In diesem Zusammenhang haben wir auch diskutiert, wie die Zukunft der Unternehmensbesteuerung in Deutschland aussehen könnte. Friedrich Merz ist involviert und hat im Handelsblatt-Interview erste Gedanken formuliert. Es gibt noch kein fertiges Konzept, sondern Friedrich Merz rekurriert im Wesentlichen auf das, was Professor Paul Kirchhoff damals in dem von ihm formulierten Bundessteuergesetzbuch 2011 niedergeschrieben hat. Kirchhoff ist damals davon ausgegangen, dass man die Gewinne aus jeder unternehmerischen Tätigkeit gleich besteuert, egal welcher Rechtsform das Unternehmen angehört. Er ging damals sogar so weit, dass er die Körperschaftsteuer abschaffen und einen einheitlichen Einkommensteuersatz schaffen wollte. So weit ist der Vorschlag von Friedrich Merz nicht zu verstehen, sondern er wollte einfach diesen Gedanken wieder in die steuerpolitische Debatte bringen. Das wichtigste Ziel daran ist, dass wir eine rechtsformneutrale Besteuerung hinbekommen.
„Das wichtigste Ziel ist, dass wir eine rechtsformneutrale Besteuerung hinbekommen.“
Wie kann man eine rechtsformneutrale Besteuerung erreichen?
Dazu gibt es grundsätzlich zwei Wege. Der Erste: Ich besteuere Personen- und Kapitalgesellschaften gleich. Der Zweite: Ich ermögliche Personengesellschaften, sich wie Kapitalgesellschaften zu besteuern, über das sogenannte Optionsmodell oder über das Thesaurierungsmodell. Es kommt dann jeweils zu einer Nachversteuerung bei der Ausschüttung auf Gesellschafterebene. Daher ist eher die Überschrift für den Vorschlag von Friedrich Merz: Wie regelt man eine rechtsformneutrale Besteuerung für Unternehmen am besten? Und wie schaffen wir es, dass die thesaurierten Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, nicht weiter so hoch besteuert werden wie bisher? Wir haben einen Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich. Deutschland ist Höchststeuerland, was Unternehmensgewinne angeht. Daher bedarf es dringend einer Korrektur.
Meinen Sie mit Nachbesteuerung die Kapitalertragsteuer, die anfällt, wenn man Gewinne ausschüttet?
Je nachdem, welches System Sie anwenden: Beide Verfahren haben den Gedanken, dass ich eine Vorbelastung auf der Gesellschaftsebene habe, die niedriger ist. Erst wenn ich ausschütte auf die Ebene des Gesellschafters, kommt es zur Nachversteuerung bzw. zur Hochschleusung auf den eigentlichen Einkommensteuertarif des Gesellschafters. Solange mit dem Geld im Unternehmen, in der Gesellschaft, gearbeitet werden kann, habe ich eine niedrigere Steuerbelastung. Das schafft zusätzliche Liquidität für die Unternehmen für notwendige Investitionen und Innovationen.
„Wir sollten uns da in Deutschland mehr zutrauen.“
Welche Schwierigkeiten bringen beide Modelle mit sich?
Beide Modelle haben eine hohe Komplexität und werden in der Praxis deshalb kaum angewandt. Dann ist doch die Frage, ob es im Sinne der rechtsformneutralen Besteuerung viel klüger ist, von vornherein Unternehmen gleich zu besteuern. Also dass wir nicht das eine nach dem Trennungs- und das andere nach dem Transparenzprinzip besteuern. Das ist der Gedankenanstoß, den Friedrich Merz mit seinen Vorschlägen setzt. Das wäre schon eine Steuerrevolution, das alles umzusetzen. Dazu muss man eine Mehrheit im Deutschen Bundestag finden und auch im Bundesrat. Wir sollten uns da in Deutschland mehr zutrauen. Aber ich befürchte, dass die jetzige Bundesregierung nicht die Kraft haben wird, das Thema Unternehmensteuer mal so richtig anzugehen, sondern dass wir weiter an Detailregelungen arbeiten und versuchen diese zu verbessern.
Wenn Sie von Steuerrevolution sprechen, dann hat Friedrich Merz auch die Gewerbesteuer in sein Unternehmensteuerpaket inkludiert. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade die Kommunen wenig erpicht sind, wenn Ihnen die Möglichkeit genommen wird, diese Steuer eigenständig zu erheben?
Die eigentliche Herausforderung ist: Wie sichern wir den Kommunen eine ausreichende finanzielle Ausstattung? Die Kommunen finanzieren sich über verschiedene Steuern, z.B. auch über Anteile an der Einkommen- und Umsatzsteuer, die Grundsteuer, aber eben im Wesentlichen über die Gewerbesteuer. Die Frage ist, ob die Gewerbesteuer für die Kommunen wirklich noch das sichere Instrument ist. In der Coronakrise haben wir erlebt, wie volatil die Gewerbesteuer ist. Der Bund hat in erheblichem Maße die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen ausgeglichen, sonst wären mancherorts im wahrsten Sinne des Wortes die Lichter ausgegangen. Daher ist es auch im Sinne der Kommunen, darüber zu reden, ob es nicht etwas anderes geben kann, was besser ist als das bisherige System der Gewerbesteuer.
Woran denken Sie da?
Da könnte man über Zuschlagsätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer reden, was eine größere Sicherheit bieten kann. Das muss man ohne Scheuklappen einmal diskutieren. Ich sehe da auch bei den kommunalen Spitzenverbände eine gewisse Bereitschaft zu sprechen – auch aufgrund des internationalen Kontexts. Wenn es um die nationale Umsetzung der Mindestbesteuerung geht, da haben wir erhebliche Probleme, weil wir diesen nationalen Fremdkörper „Gewerbesteuer“ haben.
„Friedrich Merz hat einen klaren Arbeitsauftrag an die Fachpolitiker gegeben“
Kommen wir zurück zur einheitlichen Unternehmensbesteuerung: Ginge der Wegfall der gesonderten Besteuerung von Personengesellschaften nicht auch mit Nachteilen einher, etwa dem Ende der mehrjährigen Abschreibung des Kaufpreises wenn man sich als Berufsträger in einer Partnerschaftsgesellschaft einkauft?
Die Frage ist, wie Sie einheitliche Unternehmensbesteuerung verstehen. Bis jetzt hat Friedrich Merz sich lediglich dafür ausgesprochen, dass wir einen einheitlichen Steuersatz haben sollten. Eine andere Frage ist die Bemessungsgrundlage. Steuer ermittelt sich immer nach der Formel ‚Bemessungsgrundlage mal Tarif‘. Merz hat nur über den Tarif gesprochen. Wir müssten dann schauen, wie wir das organisieren. Wir könnten auch auf die Idee kommen, dass das, was bei den Personengesellschaften gut klappt, also z.B. Ergänzungs- und Sonderbilanzen, warum machen wir dies bei der Körperschaftsteuer nicht auch? Aber so weit sind wir noch gar nicht. Ich habe das intern in unseren Gremien so formuliert: Friedrich Merz hat einen klaren Arbeitsauftrag an die Fachpolitiker gegeben, sich mal Gedanken zu machen. Jetzt werden wir uns daransetzen, wie das genau aussehen sehen kann. Wir planen eine Steuerrevolution.
Im Zuge der Grundsatzkommission wurde auch berichtet, dass es innerhalb der CDU den Vorschlag gebe, eine 10-Prozent- Erbschaftsteuer-Flat-Tax einzuführen. Dagegen liefen unter anderem Verbände von Familienunternehmen Sturm. Was ist da dran?
Sie kennen vielleicht das politische Berlin. Da geraten Papiere nach außen, die nicht zwingend schon für die Öffentlichkeit bestimmt sind, weil sie noch gar keine Beschlusslage sind. Wir haben 2016 nach einem dritten Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine weitere Erbschaftsteuerreform gemacht. Ziel war, dass wir den Übergang von Betriebsvermögen weitestgehend von der Erbschaftsteuerbelastung verschonen, weil die Liquiditätsbelastung, welche durch die Erbschaftsteuer entstünde, die Unternehmen in Schwierigkeiten bringen könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat damals gesagt, dass wir eine solche generelle Annahme, wie ich sie gerade geschildert habe, bei kleinen Unternehmen machen können, aber bei großen nicht. Dann begann das große Problem, dass wir als Gesetzgeber definieren mussten, ab wann eine Unternehmensübertragung groß ist. Das haben wir mit 26 Millionen Euro definiert. Daher haben wir zwei unterschiedliche Regime bei der Verschonung von betrieblichem Vermögen in der Erbschaftsteuer: Wir haben einmal die Options- und Regelverschonung für Übertragungen unter 26 Millionen Euro. Wir haben dann das Abschmelzmodell oder die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung eingeführt für Übertragungen über 26 Millionen Euro.
Was ist eine Verschonungsbedarfsprüfung?
Da können Sie, wenn Sie der Begünstigte sind, sagen: „Ich habe ja gar nichts, ich kann die Steuer nicht bezahlen.“ Dann wird die Steuer zwar festgestellt, wird Ihnen aber erlassen. Was ist das Ergebnis in der Praxis? Da werden hohe Millionenvermögen auf die nächste Generation zu einem Zeitpunkt übertragen, wo die Erben noch kein Vermögen haben und unter Umständen noch nicht einmal volljährig sind. Das führt dazu, dass nahezu erbschaftsteuerfrei übertragen wird. Dieser Punkt ist der wesentliche Punkt einer Klage, die vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts anhängig ist. Der Senat hat die Klage angenommen und eigentlich noch für dieses Jahr eine Entscheidung angekündigt.
„Die Flat Tax ist bisher keine Beschlusslage der CDU, sondern nur eine Möglichkeit, dieses komplexe System ein Stück rechtsicherer zu machen.“
Was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht die Verschonungsbedarfsprüfung kippt?
Wenn dieses Urteil negativ ausfällt, dann stehen wir vor dem Dilemma, dass die Regelungen, die wir geschaffen haben, ganz oder teilweise nicht mehr anzuwenden sind. Dann muss sich die Politik entscheiden: Akzeptiere ich eine Belastung durch die Erbschaftsteuer und gefährde die Unternehmen oder schaffe ich – wie in Österreich – die Erbschaftsteuer ab. Derzeit gibt es bei der CDU keine Beschlusslage die Erbschaftsteuer abzuschaffen. Nun wird Karlsruhe unter Umständen die jetzige Regelung zerschießen. Angesichts dieser Ausgangslage haben wir intern diskutiert, ob ein Flat-Tax-Modell eine Möglichkeit wäre. Aber garniert mit erheblichen Stundungsregelungen für die Unternehmen. Diese Überlegungen sind dann publik geworden. Die Flat Tax hat Vorteile: Sie ist einfach zu handhaben. Ein einheitlicher Steuersatz auf das gesamte Vermögen. Aber auch noch Schwachpunkte: Mit einer Flat Tax von 10 Prozent gebe es zwar beim Betriebsvermögen eine Mehrbelastung, aber bei der Übertragung von Privatvermögen einen erheblichen Vorteil. Derzeit bezahlen Sie bis zu 50 Prozent, je nach Höhe und Steuerklasse auf das übertragene Privatvermögen. In Zukunft würde man bei einer Flat Tax auch in diesen Fällen nur 10 Prozent Steuern bei Erbschaft oder Schenkung bezahlen, wenn ein Aktienpaket übertragen wird. Das ist auch nicht ganz einfach. Aber wie gesagt: Die Flat Tax ist bisher keine Beschlusslage der CDU, sondern nur eine Möglichkeit, dieses komplexe System ein Stück rechtsicherer zu machen.