ChatGPT und Datenschutz

„Die Party hat noch gar nicht begonnen!“

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Am Freitag ging die Nachricht der Sperrung von ChatGPT durch die italienischen Behörden wie ein Schock durch die KI-Szene. Ist damit der KI-Hype in der Steuerbranche schon wieder vorbei? JUVE Steuermarkt sprach mit Stefan Groß, Partner bei Peters Schönberger & Partner in München.

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JUVE Steuermarkt: Herr Groß, Sie sind ein großer Fürsprecher für das Thema KI und generative KI. Die italienische Datenschutzbehörde hat am Freitag ChatGPT wegen Datenschutzverstößen in Italien gesperrt. Ein schlechtes Omen? Ist die Party zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat?
Stefan Groß: Der Grund meines Engagements für KI in der Steuerbranche liegt vornehmlich darin, dass ich den Einsatz von KI- und Automatisierungslösungen als essenziell für den Fortbestand des Berufstandes sehe. Schon heute kämpfen wir in der Steuerbranche mit immer knapper werdenden Personalressourcen. Spätestens mit dem Wegfall der Generation der Babyboomer wird sich diese Situation weiter zuspitzen. Was wir dringend benötigen, sind beherrschbare KI-basierte Technologien, die dem Personalmangel gezielt entgegenwirken, etwa wenn es darum geht, standardisierte und repetitive Tätigkeiten an die Maschine zu delegieren.

Macht Italien uns da nicht gerade einen Strich durch diese Rechnung?
So sehr ich die Beweggründe der italienischen Datenschutzbehörde nachvollziehen kann, Verbote sind für mich der falsche Weg. Vielmehr müssen wir uns konstruktiv damit auseinandersetzen, wie wir verantwortungsvoll und transparent mit Lösungen wie ChatGPT umgehen. Wenn Sie fragen ‚Ist die Party vorbei?‘, dann würde ich sogar behaupten: ‚Die Party hat noch gar nicht richtig begonnen.‘ Warum? Die Party wird erst dann Fahrt aufnehmen, wenn wir über Lösungen verfügen, die ein datenschutzkonformes und vertrauliches Agieren gewährleisten und damit auch für unseren Berufsstand bedenkenlos einsetzbar sind. Unabhängig davon ist das Sprachmodell, welches ChatGPT zugrunde liegt, noch nicht hinreichend mit steuerlichen Inhalten trainiert, deutschsprachige Steuerfachliteratur fehlt nahezu gänzlich. Der nächste logische Schritt muss entsprechend zum Ziel haben, die technologischen Möglichkeiten von Lösungen wie ChatGPT mit steuerlichem Content zu verheiraten. Der eigentliche Fortschritt im Umgang mit steuerlichem Fachwissen steht uns damit erst noch bevor.

OpenAI muss bei Transparenz nachbessern

Wie kann man die Bedenken Italiens in Bezug auf Datenschutz lösen?
Sobald personenbezogene Daten verwendet werden, gerät der ChatGPT-User in ein datenschutzrechtliches Wespennest. So ist bisher nur sehr rudimentär bekannt, was mit den eingegebenen Daten passiert. Das Wichtigste für einen Ausweg aus diesem Dilemma ist Transparenz, verbunden mit einem Mindestmaß an Datenethik. Auch, was Datenschutzhinweise oder beispielsweise Erläuterungen zu den verwendeten Trainingsdaten angeht, muss OpenAI zwingend nachlegen. Hinzu kommen weitere vertrauensbildende Maßnahmen, wie die Angabe der verwendeten Quellen oder die Kennzeichnung rein synthetischer Texte, also von Texten, die rein von der Maschine über eine Aneinanderreihung von Worten geschaffen werden. Dabei bietet es sich mit Blick auf Datenschutz und Transparenz durchaus an, den Blick schweifen zu lassen und den ein oder anderen Marktbegleiter von ChatGPT etwas genauer zu betrachten. Allein im März wurden über 1000 neue KI-Lösungen auf den Markt gebracht.

Was schwebt Ihnen da vor?
Zwei interessante Lösungen, die ich aktuell näher beobachte sind Aleph Alpha aus Heidelberg und die ChatGPT-Alternative Neuroflash, zwei vielversprechende Lösungen, die ihre digitalen Wurzeln in Deutschland haben.

Steuerfachverlage könnten generative KI einsetzen

Sind diese schon steuerlich getestet worden?
Da ist mir noch nichts bekannt. Allerdings gehe ich davon aus, dass die großen im Steuerbereich beheimateten Verlage derzeit sehr genau eruieren, wie sie die GPT-Technologie für ihr Angebot effizient nutzen können. Entsprechend wird es wohl nicht lange dauern, bis wir die ersten generativen KI-Lösungen sehen, die mit Steuerfachliteratur trainiert wurden. Spätestens dann werden wir auch sehen, was die Technologie im Steuerbereich wirklich zu leisten vermag.

Wenn Deutschlands Steuerberatern in Zukunft generative, auf Steuerdaten trainierte KI-Lösungen aus den Verlagen Otto-Schmidt, C.H. Beck oder NWB, um nur ein paar zu nennen, zur Verfügung stehen und diese dann über Ihre Eingaben bzw. die Interaktion mit der Maschine weiter trainieren, dann steht doch das, was bisher als Expertenwissen galt, über Nacht allen Kanzleien zur Verfügung. Sehen Sie da nicht die Gefahr der Demokratisierung von Wissen?
Dass Umwälzungen stattfinden werden, steht fest. ‚Demokratisierung von Wissen‘ trifft es dabei sicherlich ganz gut. Diese Durchbrechung wissensbasierter Wagenburgen findet jedoch schon einen Schritt früher statt. Wenn die Steuerverlage ihre Inhalte mit der Technologie verheiratet haben, dann hat in Zukunft vielleicht auch der Generalist, der sich bislang nicht an das steuerliche Hochreck getraut hat, die Möglichkeit, in Spezialfragen beratend tätig zu werden. Allerdings sind auch hier immanente Grenzen gesetzt, die den Spezialberater auch weiterhin in einer präferierten Rolle sehen. Dazu bin ich davon überzeugt, dass die KI Wissensberufe per se nicht vernichten wird, sehr wohl aber solche in Frage stellt, die keine KI verwenden.

Welche Umwälzungen sehen Sie noch für die Steuerbranche?
Die fortschreitende Digitalisierung birgt große Chancen für unsere Branche, allen voran den Beruf des Steuerberaters attraktiver zu gestalten. Die Möglichkeit, Routineaufgaben an die Maschine zu delegieren, schafft Freiräume für kreative und erfüllende Tätigkeiten, betont Soft Skills und Sekundärfähigkeiten und rückt damit zugleich den Berater als Persönlichkeit in den Mittelpunkt. In dieser Gemengelage muss es die nächsten Jahre vor allem darum gehen, wie wir die „Mensch-Maschine-Beziehung“ rechtssicher, verantwortungsvoll und fair gestalten. Wenn uns dies gelingt, entsteht eine für alle wertstiftende Symbiose mit der KI, in welcher die persönliche und auf Empathie gerichtete Beratung auch weiterhin Vorbehaltsaufgabe des Menschen bleiben wird.

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